Sonntagsimpuls: 23. Juni

Am 24. Juni wird der Namenstag Johannes des Täufers gefeiert. Der gleichnamige Evangelist Johannes stellt ihn und sein Zeugnis zu Jesus als Sohn Gottes an den Anfang seiner Erzählung. Eine besonders eindringliche Ansprache Jesu enthält Kapitel 15, 9-17:
„Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, was ihr in meinem Namen erbittet. Dies trage ich euch auf, dass ihr einander liebt.“
Zu diesem Text habe ich am 04. und 05. Mai im Rahmen des Predigerinnentags der kfd in Eucharistiefeiern gepredigt. Was mich dazu bewegt hat? Als geistliche Begleiterin in der kfd beschäftige ich mich mit den Texten der Bibel, weil sie uns für unser Leben Orientierung geben kann. Ich erzähle gerne von ihrer Botschaft. Hier sind meine Gedanken zum Text.
„Frauen engagieren sich seit 2000 Jahren für ihren christlichen Glauben. Die Bibel erzählt von ihnen, als Jüngerin Jesu wie Maria von Magdala, als Apostelin wie Junia im Brief des Paulus. Die Schriften der Hildegard von Bingen oder Teresa von Avila werden noch heute gelesen. Kirche wäre ohne beherzte Frauen nicht denkbar. Weiheämter werden ihnen nicht zugestanden, doch sie erhalten die Lebendigkeit der Gemeinde mit vielfältigen Initiativen. Frauen tragen die frohe Botschaft von der Gottesherrschaft weiter, die Jesus verkündigt hat.
Der Text des Johannesevangeliums hat mich in seiner Eindringlichkeit überrascht. Er ist Teil der Abschiedsrede Jesu an die Jünger. Jesus spricht die Worte im Anschluss an die Fußwaschung und das letzte Abendmahl: „Bleibt in meiner Liebe!“ Die Liebe kommt neun Mal in den neun Sätzen vor. Jesus beschwört die Jünger geradezu, seinen Wunsch zu beherzigen. Warum ist ihm diese Liebe zueinander so wichtig? Lassen Sie uns einen Blick darauf werfen, in welchem Umfeld dieses Evangelium entstanden ist. Für welche Menschen wurde es geschrieben? Und um welche Liebe geht es hier?
Das Evangelium des Johannes betont deutlicher als die drei anderen Evangelien, dass wir in Jesus Gott begegnen. Der Text ist vermutlich Ende des 1. Jh. entstanden. In welcher Situation waren die Menschen, die an Jesus als den Messias glaubten?
Für viele damals war die Kreuzigung Jesu ein Beweis seines Scheiterns. Einen Gekreuzigten konnte man sich kaum als Messias vorstellen. Den Messias verkündeten die Propheten als Mensch, den Gott als Heilsbringer erwählt hat. Er solle eine radikale Wende zum Frieden und zum Wohl für alle bringen.
Es waren schwierige Zeiten für diejenigen, die an Jesus als den Messias glaubten. Ihre Gemeinschaft war bedrängt durch Konflikte mit anderen Religionen und Verfolgungen zur Durchsetzung des römischen Kaiserkults. In dieser unsicheren Lage erinnert das Johannesevangelium sie daran, wie wichtig der Glaube an Jesus als Messias und Sohn Gottes ist. Jesus ermöglicht die Verbindung zwischen Gott und den Menschen und ruft zum Leben in der Liebe auf. In seiner Abschiedsrede beschwört Jesus den Zusammenhalt der Gemeinschaft, nur so kann sie weiter bestehen: „Bleibt in meiner Liebe!“
Was bedeutet es, in Jesu Liebe zu bleiben? Er nennt seine Jünger Freunde und legt ihnen ans Herz, wie sie miteinander umgehen sollen: „Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe.“ Weder Herren noch Knechte soll es geben, alle begegnen sich auf Augenhöhe. Jesus ruft zum Leben in der Liebe auf und spricht von einer zuwendenden Liebe, die mehr als Partner, Freunde und Verwandte umfasst, eine allumfassende Liebe. Dafür hat er sie erwählt, damit sie Frucht bringen und diese Frucht Bestand hat. Was könnte diese Frucht sein?
Ich denke daran, dass Jesus sich für Arme, Kranke und Ausgestoßene eingesetzt hat. In der Tradition dieser Liebe sollen auch seine Freunde leben. Wo die Gebote Gottes geachtet werden, wo Friedfertigkeit und Mitgefühl für andere Menschen und Lebensformen vorherrschen, kann sich etwas Gutes entfalten. Diese Haltung kann Frucht bringen, so wie Jesus es vorgesehen hat.
Wir stehen heute ebenso wie die Messias-Christen des Johannesevangeliums vor der Frage, ob wir uns bewusst für ein Leben in Jesu Nachfolge entscheiden. Es ist wie damals unpopulär, sich zu Jesus Christus zu bekennen. Christliche Gemeinschaft wird zunehmend bedeutungslos. Zuwendende Liebe geht selten über die Partnerschaft oder den familiären Horizont hinaus. „Besser, schneller, stärker“ ist als Motto gesellschaftlich gefragt, dabei bleibt anderes mitunter auf der Strecke, wie zum Beispiel die gerechte Bezahlung von Pflegekräften oder die Hilfe für Geflüchtete.
Auch wir brauchen heute den Aufruf des Johannesevangeliums zur Liebe, zur Solidarität mit Benachteiligten, zum Widerstand gegen Ausbeutung und Gewalt, zum Schutz des Lebens.
Daher gilt auch uns der Appell: „Bleibt in meiner Liebe!“ Amen.“
Text: Marieluise Pree / Bild: Jim Wanderscheid in: Pfarrbriefservice