Leben im Krieg – Hoffnung auf Zukunft

Spendenprojekt der kfd in Nordsyrien/Rojava von 2016 – 2019

 

Trier - In Zusammenarbeit mit der „Stiftung der Freien Frau in Rojava“ hatte der Diözesanverband Trier im Norden Syriens mehrere Gesundheitsprojekte unterstützt. Eigens für den Zeitraum wurde eine Wander-Ausstellung konzipiert, die in vielen kfd-Dekanaten und Gruppen zu Austausch und Gespräch einlud. Die Veranstaltungen wurden von ehrenamtlichen Referentinnen der Stiftung und des kfd-Diözesanvorstandes begleitet. Insgesamt konnten 78.000 Euro Spendengelder für den Aufbau in vier Jahren überreicht werden. An dieser Stelle sei allen Spender*innen und Gruppen für ihr Engagement herzlich gedankt. Sie haben dazu beigetragen, dass dieses Projekt so erfolgreich und nachhaltig wirkt.

Meike Nack, ehrenamtliche Projektreferentin der Stiftung, fasst in ihrem Abschlussbericht die Situation im September 2019 zusammen:
Angesichts der schwierigen Situation gelang es der Stiftung der Freien Frau in Rojava/Nordsyrien, ihre Arbeiten weiterzuführen und sogar auszuweiten. Das vierjährige Gesundheitsprojekt ist ein Beispielprojekt für kommunales und nachhaltiges Arbeiten in der Region. Es haben allein bisher über zehntausend Frauen und damit noch einmal mindestens ebenso viele Kinder von dem Projekt profitiert.
Zur kontinuierliche Versorgung in den vier Frauengesundheitszentren in Serê Kaniyê, Qamishlo und Tepke (Region Derik) ist ein Naturheilzentrum für Frauen in Dirbesiyê hinzugekommen. Insgesamt werden in allen Gesundheitszentren monatlich, je nach Jahreszeit, zwischen 800 und 1.200 Patientinnen behandelt.
Für die geplante Mobile Klinik zur medizinischen Versorgung der Dörfer um Dêrîk und Qamishlo werden ergänzende Förderanträge gestellt. Die Preise in Nordsyrien sind leider um ein Drittel gestiegen. Die Klinik wird demnach hoffentlich im Herbst den Betrieb aufnehmen.
Ergänzend zu der Versorgung von Patientinnen hat die Stiftung in Zusammenarbeit mit Heyva Sor a Kurd mehrere Gesundheitskampagnen durchgeführt: Aufklärungskampagnen zu „Sauberkeit ist die Grundlage der Gesundheit“, zu Brustkrebs und zu den Gefahren und Folgen eines Kaiserschnitts. Das Angebot der Gesundheitsseminare zu Fachthemen in den Stadtteilen konnte erweitert werden. Themen sind Hygiene, Schutz vor ansteckenden Erkrankungen (wie Leishmaniose, Krätze, Würmern etc.), Blutdruck- und Fiebererkrankungen, Diabetes, Brustkrebs, Nierenleiden, Lungenentzündungen, psychische Krankheiten, Veränderung von Mädchen zu Frauen (Menarche), Schwangerschaftskurse, Vergiftungen, Augenkrankheiten, Entwicklungsphasen von Kindern, Geburt und Kaiserschnittrisiken, Muttermilchernährung statt Babypulvermilch etc. Es sind zahlreiche Themen rund um die Gesundheit der Frau und Schwangerschaft hinzugekommen. Das Angebot wurde in den Städten Serê Kaniyê, Qamishlo, Derîk, Girke Lêge, Dorf Tepke, Dirbesiyê, Heseke, Kobane sowie in den Camps Roj und Hol durchgeführt.
Es ist gelungen, durch die Aus- und Weiterbildung im Gesundheitsbereich von Frauen ein breites gesellschaftliches Wissen im Bereich Gesundheit zu schaffen und eine nachhaltige Gesundheitskultur in der Stadt zu entwickeln. Auch konnten eine beachtliche Anzahl an Mitarbeiterinnen (bisher 190 Frauen in 17 Ausbildungen allein in 2019), sowohl für den professionellen Einsatz aber vor allem für den ehrenamtlichen Bereich von Gesundheitsmitarbeiterinnen in den Kommunen, gewonnen und geschult werden.
Die Finanzierung der Gesundheitszentren soll mittelfristig durch stiftungseigene Mittel gesichert werden. Dazu gehören freiwillige Kostenbeiträge, kontinuierliche Spendeneinnahmen und Überschüsse aus eigenen Produktionsstätten. Das Konzept einer lokalen Gesundheitsversorgung hat sich bewährt, so dass in Folgeprojekten derzeit der Aufbau von weiteren Gesundheitszentren in den arabischen Städten Raqqa und Tepka sowie in Kobane, Cil Axa und ein zweiter Standort in Qamishlo, vorbereitet werden.
Abschließend bewerten wir als Stiftung der freien Frau in Rojava unser gemeinsames Projekt Stärkung der Gesundheitsversorgung in den Kommunen als überaus erfolgreich und eine vielfältige Wirkung entfaltend. Durch die vierjährige Unterstützung der kfd im Bistum Trier hatten wir eine kontinuierliche Planungssicherheit, die es uns ermöglicht hat, Erfahrungen zu sammeln sowie ein umfassendes Gesundheits- und Bildungsangebot für Frauen und Kinder in sechs Städten (Qamislo, Serê Kaniyê, Derîk, Girke Lege, Dirbesiyê, Heseke ) und in drei Flüchtlingscamps bereitzustellen. Wir haben die Versorgungssituation von bedürftigen Frauen und Kindern in der Region durch ein niederschwelliges und nachhaltiges Angebot wesentlich verbessert. Wir konnten eine sehr große Anzahl an Frauen durch Ausbildung für ein ehrenamtliches sowie berufliches Engagement gewinnen. Sie wurden damit in ihrem gesellschaftlichem Engagement, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer ökonomischen Situation gestärkt. Wir stehen mit unserem Projekt beispielhaft für einen Wandel in Nordsyrien von einer kurzfristig-akuten hin zu einer präventiven, nachhaltigen, langfristigen und frauenorientierten Gesundheitsversorgung in einer Krisenregion. Damit wurden Grundsteine für eine autonome Gesundheitsversorgung von Frauen gelegt und grundsätzliche Gedanken und Strukturen zu einem, an den Bedürfnissen der Menschen orientierten, dezentralen Versorgungssystem im Gesundheitssektor entwickelt.
Gefährdet ist die Aufbauarbeit der Stiftung durch den Einmarsch der Türkei im Herbst 2019 in Nordsyrien. Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten werden zerbombt, eine Infrastruktur die mühsam aufgebaut wurde. Die Stiftungsfrauen ziehen sich aus der Stadt Qamislo zurück.
Die kfd erreichen Hilferufe aus dem Kriegsgebiet und die Bitte um Unterstützung. Wir befürchten große Flüchtlingsströme und viele Frauen und Kinder, die wieder Opfer eines rücksichtslosen Verteilungskampfes werden. Als Forderung formuliert erwartet die kfd von der europäischen Gemeinschaft, dass sie sich nicht von Präsident Recep Tayyip Erdogan erpressen lässt, indem er droht die Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen. Wir wehren uns dagegen, dass Menschen als Kriegswaffe instrumentalisiert werden. Wir fordern von der Bundesregierung alle Waffenlieferungen an die Türkei zu stoppen und sehen die Notwendigkeit wirtschaftlicher Sanktionen, als einziges Mittel um die weitere Invasion zu stoppen.

Foto: Stiftung der Freien Frau in Rojava, 2016
Zusammenstellung der Seite / Text: Petra Erbrath