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    St. Wendel

    Nachlese Auszeit im Kloster 2022

    Zwei Jahre lang hatten wir uns auf die „Auszeit im Kloster“ gefreut, 2019 schon die Zimmer gebucht, gehofft, gewartet und gebangt, aber zweimal machte uns Corona einen dicken Strich durch die Rechnung. Schweren Herzens mussten wir immer wieder absagen, weil die Fahrt ein unkalkulierbares Gesundheitsrisiko dargestellt hätte.

    Nun aber war es so weit: am 7. Juli starteten 18 Frauen zu einem neuen Abenteuer; gespannt und voller Erwartung die, die zum ersten Mal mitfahren wollten und mit sehr viel Wiedersehensfreude die anderen, die schon mal dabei waren.

    Obwohl der Wetterbericht noch Schauer angekündigt hatte, schien es, als habe der Himmel etwas gutzumachen. Die Schirme konnten in den Taschen bleiben, die Sonne bekam die Oberhand und behielt sie auch während der ganzen Zeit auf Berg Moriah. Einige waren mit dem Auto angereist, 13 Frauen genossen Fahrt bis nach Koblenz per Bahn mit dem 9-Euro-Ticket. So preiswert werden wir wohl nie wieder verreisen! Allen Unkenrufen zum Trotz: die Züge waren pünktlich und wir bekamen alle einen Sitzplatz. Nur die Idee, das Ticket auch für die Weiterfahrt mit dem Omnibus zu nutzen, war etwas zu kurz gegriffen, der Bus fuhr nur bis zum Simmerner Marktplatz. Die 1,5 km. bis zum Bildungshaus brachte uns dann ein hauseigenes „Taxi“, das man uns sofort bereitwillig entgegenschickte. Auf Berg Moriah wartete schon das Abendessen auf uns – lecker und appetitlich, wie übrigens während der ganzen Zeit. Nach dem Bezug der geräumigen Zimmer trafen wir uns zum ersten Mal in der Aula zum Kennenlernen und zum ersten Tanz. Neben der Bibelarbeit ist der meditative Tanz nämlich fester Bestandteil des Programms, indem der Körper zum Ausdruck bringen kann, was die Seele bewegt.

    Am folgenden Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück, ging es an die Arbeit. „Lydia“ war das Thema, die Purpurhändlerin aus Philippi, von der uns in wenigen Sätzen in der Apostelgeschichte berichtet wird. Diese wenigen Sätze aber haben es in sich: sie lassen die erste Frau, die auf europäischem Boden das Christentum angenommen hat, ganz plastisch hervortreten. Lydia war eine eigenständige, taffe, berufstätige Frau, eine Frau mit wachem Verstand und einem offenen Herzen. Sie war von der Botschaft von einem liebenden Gott, von der Lehre Jesu, die Paulus verkündete, so begeistert und überzeugt, dass sie sich nicht nur taufen ließ, sondern auch ihr Haus als Treffpunkt für die sich rasch entwickelnde Gemeinde zur Verfügung stellte.  Die Kirche in Philippi entstand also unter einer Frau und Paulus vertraute ihr und ihrer Hausgemeinschaft das Leben und das Wachstum der im Entstehen begriffenen Gemeinde an. Dieser Gemeinschaft schlossen sich zweifellos auch Männer an, die ihrerseits wichtige Rollen übernahmen. Unstreitig aber ist, dass ohne die Begeisterung, die Mitarbeit und die Geldmittel Lydias nie diese blühende Gemeinschaft von Christen in Philippi entstanden wäre. Das frühe Christentum zog unabhängige und reiche Frauen wie Lydia an und sie standen am Anfang der jungen Kirche nicht abseits und am Rande, sondern kümmerten sich aktiv um die Gemeinden und gestalteten die Entwicklung des Christentums entscheidend mit.

    Diese erstaunliche Erkenntnis prägte unsere Arbeit an allen Tagen. Ob im kleinen Zweier- oder Vierergespräch, ob in der kreativen Ausarbeitung, ob im meditativen Tanz, in der Schweigezeit oder beim Bibliodrama, das prädestiniert und einfühlsam von Maria Lauer-Ruhl geleitet wurde, immer wurde deutlich: Glaube, Mut und ein offenes Herz spielen eine große Rolle – bei Lydia und in unserem Leben.

    Glaube, Mut und ein offenes Herz waren auch die Attribute, die Karl Leisner auszeichneten. Berg Moriah beherbergt den sogenannten „Dachau-Altar“, jenen Altar, den die Häftlinge des KZs Dachau aus primitiven Mitteln anfertigten und an dem eben dieser Karl Leisner während der NS-Zeit zum Priester geweiht wurde. Dass wir die Umstände seines Lebens näher kennenlernen durften, verdanken wir dem sympathischen Pfarrer Markus Degen, dessen Bekanntschaft wir zufällig am Kaffeeautomat machten und der mit uns an diesen Tagen die Hl. Messe feierte. Da aber „Zufall“ nur Gottes Pseudonym ist, waren wir fest überzeugt, dass der Himmel ihn uns geschickt hatte. Seine menschliche Ausstrahlung und seine wirklichkeitsbezogenen Predigten, versöhnten uns mit Vielem, was uns zurzeit an der Kirche missfällt. Doch Kritik allein hilft nicht weiter, nicht im zwischenmenschlichen Bereich und auch nicht in der Kirche. Nach Lydias Vorbild ist anpacken und mitmachen gefragt. Die Tage auf Berg Moriah waren auch hier wieder ein Anstoß zu mehr Begeisterung und Engagement.

    Bei aller Ernsthaftigkeit kamen auch Spaß und Lebensfreude nicht zu kurz. Allein die Erfahrung von Gemeinschaft nach der langen Zeit der Corona-Isolation tat allen wirklich gut. Das befreiende Lachen, das man in diesen Tagen so oft hören konnte, die herzlichen Umarmungen und das Versprechen uns nächstes Jahr wieder zu treffen – dann in St. Thomas – bleiben als wunderschöne Erinnerung im Gedächtnis.

    Darum noch einmal herzlichen Dank an unsere Geistl. Begleiterin, Gemeindereferentin Therese Thewes, an Maria Lauer-Ruhl und alle, die durch ihre Teilnahme und ihre Offenheit aus einer Gruppe von Frauen eine echte Gemeinschaft werden ließen.

    „Auszeit im Kloster“ – ich kann sie nur empfehlen und freue mich, 2023 wieder dabei zu sein!

     

    Text: Rosemarie Schmidt

    Foto: Christel John und Ursel Fried