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    COVID-19 in Bangladesch und die Menschenrechte in der Textilindustrie

    Die Arbeiterinnen sind so erschöpft, dass sie am Arbeitsplatz einschlafen. Foto: Gisela Burckhardt

    Trier – Die Ausstellungseröffnung der kfd „Starke Frauen. Faire Arbeit in Bangladesch. Menschenrechte in der Textilindustrie.“ zur Unterstützung des aktuellen Spendenprojekts der kfd, in Zusammenarbeit mit FEMNET e.V., wurde Corona-bedingt kurzfristig in ein Online-Format umgewandelt und 53 Besucher:innen nahmen virtuell teil.
    Dr. Gisela Burckhardt, FEMNET-Gründerin und Vorsitzende, eingeladen als Referentin und Gesprächspartnerin, informierte zur aktuellen Arbeits- und Lebenssituation der Textilarbeiter:innen in der Corona-Pandemie. Obwohl der Lockdown nur zwei Monate (26. März – 30. Mai 2020) dauerte, wurden tausende Menschen, überwiegend Frauen, denn 80 % der Beschäftigten im Textilsektor sind Frauen in Bangladesch, arbeitslos. Für ca. 3 Milliarden Euro wurden Aufträge storniert oder eingefroren. Die Produktion wurde zwar wiederaufgenommen, aber mit maximal 50 % der Kapazität. Das bedeutet, 70 000 entlassene Textilarbeiterinnen stehen ohne die gesetzlich vorgeschriebene Abfindung und vollkommen mittellos „auf der Straße“. Arbeitslosigkeit und Hunger prägen das Leben, Corona-Impfstoff ist Mangelware. Die Schulen und Universitäten bleiben geschlossen. Mit einem Corona-Solidaritätsfond und in Kooperation mit den Gewerkschaften und NGOs organisiert FEMNET Lebensmittel und deren Verteilung an die Arbeiterinnen und ihre Familien.
    Es gibt fast kaum andere Arbeitsplätze für Frauen als in der Textilindustrie. Die Tätigkeit als Haushaltshilfe ist noch gefährlicher und schlechter bezahlt. Sexuelle Übergriffe und Gewalt gehören in allen Beschäftigungsfeldern zum Alltag. 76 % der Arbeiterinnen gaben bei einer Umfrage an, dass sie am Arbeitsplatz mit geschlechtsspezifischer Gewalt konfrontiert waren. Häufig sind die Frauen die Hauptfamilienernährerinnen und schicken zusätzlich Geld zur Unterstützung an ihre Eltern, die in ländlichen Regionen leben. Zum Alltag gehört, dass viele Frauen von (Ehe-)Männern geschlagen werden.
    Allerdings, so Burckhardt, ist das Selbstbewusstsein der Arbeiterinnen gewachsen. Sie verdienen ihr eigenes Geld, bilden sich weiter, „arbeiten sich von der Fadenabschneiderin zur Näherin hoch“ und organisieren sich teilweise in der Gewerkschaft. Hier setzt auch die Arbeit von FEMNET, z. B. mit dem Projekt #GegenGewalt, an. Die Information der Arbeiterinnen über ihre (Arbeits-)Rechte erfolgt in ihrer freien Zeit am Wochenende und nicht in der Fabrik.

    Was können die Verbraucher:innen tun?
    Jede:r Deutsche kauft ca. 60 Kleidungsstücke im Jahr. Davon werden nur 40 % getragen und 60 % landen in der Mülltonne. Die Kleidung wird immer billiger, wir kaufen immer mehr und werfen immer mehr weg. Verbraucher:innen müssen ihr Verhalten ändern, fordert Gisela Burckhardt, und die Teilnehmer:innen folgten ihr. Weniger und bewusster einkaufen. Hier helfen sogenannte Produktsiegel. Aber Vorsicht – nicht alle die „fair“ im Label tragen, gewährleisten die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards in der Produktionskette. Z. B. das neue staatliche Dachsiegel – der grüne Knopf – garantiert keinen Existenzlohn. Kritiker:innen bezeichnen ihn als „Greenwashing“.
    Kritik wurde auch zum Entwurf des deutschen Lieferkettengesetzes geäußert, denn es wird nicht die gesamte Lieferkette erfasst, es gilt nur für Betriebe mit mehr als 3 000 Beschäftigten und es gibt keine zivilrechtliche Haftung.
    Am Ende der Veranstaltung sammelten die Teilnehmer:innen auf einem Padlet in virtueller Kleingruppenarbeit Verhaltensempfehlungen: Bewusst nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich (Kleidung) einkaufen; auf Zertifizierung und Produktionsstätte achten; in Second Hand Läden kaufen und verkaufen; Kleidung möglichst lange tragen; Kleidung, die nicht mehr gebraucht wird, an Organisationen geben, denen ich vertraue; im persönlichen Umfeld Aufklärung betreiben; Kleidertauschbörsen nutzen…
    Zum Abschluss wurde die virtuelle Ausstellung der kfd vorgestellt: „Starke Frauen. Faire Arbeit in Bangladesch. Für Menschenrechte in der Modeindustrie.“

    Hinweis:
    Im Vorfeld der Veranstaltung wurde ein Interview im Podcast Bistum Trier mit Dr. Gisela Burckhardt, FEMNET, und Petra Erbrath, kfd, veröffentlicht.
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    Text: Petra Erbrath
    Foto: FEMNET