Sonntagsimpuls: 14. Juli

Jeden Abend, wenn sich die Mönche zur Andacht niederließen, pflegte die Katze des Abtes herumzustreunen und sie beim Beten abzulenken. Also ließ er die Katze während der Gebetszeit anbinden. Lange nach dem Tod des Abtes wurde die Katze stets während der Abendandacht angebunden. Als die Katze schließlich starb, wurde eine andere Katze ins Kloster gebracht, so dass man sie während der Andacht ordnungsgemäß anbinden konnte. Jahrhunderte später schrieben die Mönche dieses Klosters gelehrte Abhandlungen, warum eine angebundene Katze unverzichtbar für die Abendandacht sei, und dass ohne sie auch in Zukunft niemals gebetet werden könne. (frei nach Anthony de Mello, Die Katze des Guru, in: Warum der Vogel singt, Freiburg 1984,52).
In dieser köstlichen Geschichte von Anthony de Mello ist eine Anfrage an unsere Kirche versteckt: Sind wir eine „Kloster-Katzen-Kirche“? Klammern wir uns an jede Tradition und fragen gar nicht mehr nach ihrem Sinn. Sagen wir: Das haben wir schon immer so gemacht, deshalb muss es auch so bleiben - und wehe, jemand versucht, daran zu rütteln?
Das Bild vom Haus aus lebendigen Steinen (1 Petr 2,4-9) lässt uns an eine „Kreative-Konzils-Kirche“ denken: Dynamisch und mit viel Fantasie richtet sie ihre Aktivitäten an den konkreten Erfordernissen aus. Eine Kloster-Katzen-Kirche - und eine Kreative-Konzils-Kirche: Bis heute begegnen uns diese beiden Kirchenmodelle, und bis heute haben beide ihre Sympathisanten und Anhänger.
Eine Kloster-Katzen-Kirche - oder eine Kreative-Konzils-Kirche? Die eine lebt von unserer Ängstlichkeit und von unserem Beharrungsvermögen; von unserer geringen Risikobereitschaft und von unserem mangelnden Mut, notwendige Veränderungen anzugehen. Die andere lebt von Christen, die nicht sagen: „Das war schon immer so!“ - sondern: „Wir müssen überlegen, wie wir die Botschaft Jesu jetzt glaubwürdig verkünden und leben können“; die nicht krampfhaft an alten Traditionen festhalten, sondern gemeinsam um eine gute Lösung der Probleme ringen; die das Wort Jesu im Ohr haben: „Ich bin der Weg“ - und nicht: „Ich bin der Standpunkt.“ (nach Wolfgang Raible)
Sie hören und verstehen die Botschaft und sie bringen dann auch Frucht. (nach Matthäus 13,23)
Wir wünschen allen einen gesegneten Sonntag und eine gute Zeit.
Gefunden im Pfarrbrief der Pfarrei St. Lydia / Simmern-Rheinböllen , Nr. 5, Pfingsten 2024
Bild: Peter Weidemann, in Pfarrbriefservice.de