Nein zu Gewalt! - Ja zu Selbstbestimmung!

kfd-Positionspapier zu Sexarbeit und Prostitution (2023)

 

Bei der kfd-Bundesversammlung Anfang Juni 2023 in Mainz wurde das Positionspapier zu Sexarbeit und Prostitution verabschiedet. Fünf Jahre hat sich der größte Frauenverband in Deutschland Zeit gelassen, über das doch sehr kontrovers diskutierte Thema zu beraten.

Für den kfd-Diözesanverband Trier saß Rita Monz, Sprecherin Fachausschuss „Frauen stärken – Gewalt überwinden“ ab 2018 in der eingerichteten Arbeitsgemeinschaft (AG) des Bundesverbandes. Die kfd im Bistum Trier hat bereits seit 2017 ein Positionspapier (Tenor: „Nein zu Prostitution“) verabschiedet, das im Fachausschuss zuvor erarbeitet wurde. Auch diesem Papier ging eine fast fünfjährige Auseinandersetzung mit der Thematik voraus.

Rita Monz hat diesen zehnjährigen Weg und die damit verbundenen Entwicklungen und Lernprozesse im Verband und aus persönlicher Perspektive zusammengefasst:

Über die ganzen Jahre der Befassung mit dem Thema war zu erleben, dass es nur zwei Haltungen zum Thema Prostitution gibt: die Pro-Sexkauf und die Pro-Sexkaufverbot. Bei allen Veranstaltungen, Diskussionsrunden usw., die ich in dieser Zeit besucht habe, konnte ich keine - auch noch so kleine - Annäherung der beiden Seiten wahrnehmen. Die „Fronten“ bleiben verhärtet. Den AG-Mitgliedern auf der Bundesebene war seit einiger Zeit klar, dass die kfd eine neue Sichtweise, einen neuen Ansatz, einbringen wollte. Losgelöst von den bisherigen Debatten.

Auch am Nordischen Modell scheiden sich bekanntlich die Geister. Uns – den Mitgliedern des diözesanen Fachausschusses im Jahre 2017 – schien es nicht der richtige Ansatz, den Frauen in der Sexarbeit und Prostitution gerecht zu werden. Das Fazit (damals wie heute): Der Sexkauf ist zwar für die Freier strafbar, aber die allermeisten fallen durch die gesetzlichen Maschen. Sexarbeit/Prostitution sind nicht abgeschafft, nur, weil jetzt die Freier stigmatisiert/kriminalisiert werden. Es gibt sie weiterhin: Frauen, die legal der Sexarbeit und Prostitution nachgehen. Denn den Kauf von Sex anzubieten ist gesetzlich erlaubt. Ihre Stigmatisierung ist damit nicht automatisch vom Tisch. Die Frauen bleiben überwiegend am Rand der Gesellschaft. Das Nordische Modell verleiht den Frauen nicht zwangsläufig mehr gesellschaftliche Akzeptanz und Respekt. Auch nicht bei den Männern, die ihre Dienste in Anspruch nehmen.

Hinzukommt, dass sich die kfd in einem fast zwei Jahre andauernden Prozess mit der Positionierung zu „Frauenleben sind vielfältig“ befasst hat. 2022 wurde das Papier verabschiedet. Darin fordert die kfd vom Lehramt der Kirche eine neue Sicht auf die vielfältigen Ausdrucksformen menschlicher Sexualität und die Vielfalt von Frauenleben. Diese Forderung, die sich letztlich auch an uns selbst richtet, ist in das Positionspapier „Nein zu Gewalt! – Ja zu Selbstbestimmung!“ eingeflossen. Nicht unsere eigene Sexualmoral ist der Maßstab auf die Lebensgestaltung anderer Menschen. Der freie Wille eines jeden Menschen ist es. Dieser hat natürliche und gesetzliche Grenzen. Wie alles, was wir in Freiheit tun. Der eigene freie Wille endet dort, wo die Würde einer anderen Person missachtet und verletzt wird.

Ein zentraler Punkt im Papier zu Sexarbeit und Prostitution ist deshalb auch die differenzierte Betrachtung der Situation der Frauen. Denn es gibt sie, auch wenn wir ihre genaue Zahl nicht kennen: Frauen, die selbstbestimmt als Sexarbeiterinnen tätig sind. Ihre gewählte Lebensform müssen wir anerkennen und respektieren. Ebenso sind sehr real die Frauen, die nicht selbstbestimmt, sondern aus sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Notlagen der Prostitution nachgehen.

2018 schreibt Antje Schrupp, Journalistin und Politologin: „Sexarbeit und Prostitution sind nicht dasselbe“. Diesen Gedanken hat die kfd im Papier aufgegriffen und differenziert ihrerseits in Sexarbeit und Prostitution. Mit dem Positionspapier steht die kfd jenseits von Pro-Sexkauf oder Pro-Sexkaufverbot, sehr wohl wissend, dass noch längst nicht alles gut ist in der Welt der Frauen, die als Sexarbeiterinnen oder Prostituierte arbeiten. Es gibt noch viel zu tun. Beide Gruppen brauchen unsere Aufmerksamkeit und Unterstützung. Mehr dazu im aktuellen kfd-Positionspapier des Bundesverbandes und den Forderungen.

Aus persönlicher Sicht erhoffe ich mir, dass mit diesem kfd-Positionspapier zu Sexarbeit und Prostitution eine veränderte Debatte angestoßen werden kann. Dass wir uns von Pro und Contra lösen, dass wir offener werden für andere Wege, Denkweisen und Modelle. Dass wir anerkennen, dass Sexarbeiterinnen und Prostituierte mitten unter uns leben, dass sie keine gesellschaftliche Randerscheinung sind, über die wir nur reden. Und ja, im Papier ist auch eine Vision formuliert:

 

„Was wir als kfd anstreben: eine Welt ohne Fremdbestimmung und Stigmata!
Ideelles Ziel der kfd ist es, irgendwann in einer Welt zu leben, in der es nur noch selbstbestimmte Sexarbeit gibt. Realistisch betrachtet wird dieses Ziel jedoch nicht in absehbarer Zukunft erreicht werden können. Es wird einen langen Weg brauchen und viel Arbeit und Kraft erfordern. Vor allem ist es notwendig, bestehende patriarchale Strukturen aufzubrechen und eine Welt zu schaffen, in der alle Geschlechter gleichberechtigt sind.“

 

Auch wenn es für viele utopisch klingen mag, so werde ich nie aufhören, mich für diesen Gedanken stark zu machen.
Hinter mir liegt ein wichtiger und prägender Lernprozess, der mich (heraus-)gefordert hat. Meine eigene Sexualmoral habe ich mehrmals auf den Prüfstein gestellt und so manche Betrachtungsweise über Bord geworfen. Ich bin dankbar, dass ich diesen Weg gehen konnte und dankbar für die Frauen, die mich durch diese Jahre begleitet haben. Dazu gehören auch alle kontrovers geführten Gespräche, aus denen sich am Ende mein heutiger Standpunkt entwickelt hat.

Und noch eins ist wichtig zu erwähnen: Als katholischer Frauenverband setzen wir uns mit diesem Positionspapier für die Rechte und Belange der zu 95 Prozent weiblichen Prostituierten und Sexarbeiterinnen ein. Uns ist bewusst, dass von den Auswirkungen der Prostitution und Sexarbeit alle Geschlechter betroffen sind. Die von uns geforderten gesetzlichen und gesellschaftlichen Veränderungen gelten auch für jedes Geschlecht.

Rita Monz, Sprecherin des Fachausschusses „Frauen stärken – Gewalt überwinden“

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